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Leben Karpfen in der Schweiz?

Also, mindestens einer! Glauben Sie es nicht? Was wetten wir? Aber zuerst lesen Sie diese Erzählung.

Zu der Zeit wohnten wir in Ebmatingen. Das Dorf liegt auf einem Grat zwischen dem Zürichsee und dem Greifensee, der durch die blutige Schlacht zwischen den Kantonen Zürich und Glarus im Jahre 1358 bekannt wurde. Doch heute ist der Greifensee eine friedvolle Lache, zu einem Teil zum Baden, zum anderen, grösseren Teil ein Naturschutzgebiet.

Meine Frau Barbara arbeitete damals in einer Krankenversicherung in Zürich. Eines Tages kamen zwei ihrer Arbeitskolleginnen, aus Tschechinen stammend, und fragten sie, woher sie, als gebürtige Schweizerin, zu dem tschechischen Namen kommt. Barbara erklärte, ihr Gate, also ich, sei ein Tscheche. Sie schlossen Freundschaft und seit dem brachten sie ihr Informationen, wo man in Zürich Tschechische Spezialitäten kaufen konnte. Barbara war Narr nach meinen Semmelknödeln und selber buk sie ausgezeichnete „Buchteln“. 

Vor Weihnachten kamen die zwei fragen, ob sie auch einen Karpfen haben möchte. Sie erklärten, dies sei eine tschechische Tradition, der Karpfen werde schon ausgenommen sein, man müsse ihn nur in den Ofen schieben. Von einem tschechischen Metzger. Barbara wollte mir eine Freude bereiten und so bestellte sie ihn. Einen guten Kartoffelsalat nach tschechischer Art bereiteten wir einen Tag vorher, wie es sich gehört.

Am Vierundzwanzigsten brachten die Damen den Karpfen ins Büro. Er war zwar tot, aber ihn auszunehmen schaffte der Metzger nicht mehr. Sie packten den Fisch in die Zeitung, legten ihn ins Tiefkühlfach und Barbara rief mich an, ob ich ihn ausnehmen kann. Ich sagte, ich hätte es noch nie gemacht, aber wir werden es schon irgendwie schaffen, man müsse nur aufpassen, um die Galle nicht durchzustechen. Ich wusste zwar nicht, wie die Galle überhaupt aussieht, aber von meinem Zweifel machte ich keinen Muck.

Abends brachte Barbara den Fisch nach hause, eingepackt in der Zeitung, und legte ihn zusammen mit anderen Einkäufen auf den Küchenpult. Ich wollte Spass machen und sagte ihr, dass sich der Fisch bewegt. Sie erschrak. Um sie zu provozieren, hob ich dem Karpfen den Schwanz. Er machte einen kleinen Sprung. Zur Abwechslung erschrak ich jetzt.

„Er war doch tot und lag den ganzen Tag im Tiefkühlfach“ stotterte Barbara teils als Entschuldigung, teils als Erklärung.“Was tun wir mit ihm?“

Wir drehten die Badewanne voll Wasser und tauchten den Karpfen hinein. Langsam taute er auf und begann hin und her zu schwimmen.

„Wir töten ihn doch nicht?“
„Nein, sicher nicht!“
„Aber wohin mit ihm, in der Badewanne kann er doch nicht bleiben?“


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Wir riefen Susi an, Barbaras Freundin. Ihr Vater war Fischer und ein engagierter Umweltschützer. Er sagte uns, dass in der Schweiz keine Karpfen leben. Soweit er wisse, Karpfen benötigen stehendes Wasser und Schlamm, von beiden hat’s im Greifensee genug. Also entschieden wir, den Karpfen in den See freizulassen. Aber wie bringen wir ihn hin?

Unsere netten Nachbarn hatten gerade ein kleines Baby, die werden sicher eine kleine Wanne für den Transport haben. Es war schon spät, aber wir läuteten trotzdem bei ihnen. Als wir erklärten, wozu wir die Wanne brauchen, wollten sie den Karpfen sehen. Alle sind zu uns ins Badezimmer gerannt.

Inzwischen war der Karpfen ganz aufgetaut und tummelte sich fröhlich in der Badewanne. Als ich ihn am Schwanz packen wollte, drehte er sich blitzartig um und stiess mich in die Hand, als würde er mich beissen wollen.

Ne, sie hatten keine Wanne, aber einen Biologen als Freund. Ohne Rücksicht auf die fortgeschrittene Stunde riefen sie ihn an. Am Weihnachtsabend würden sie sicher noch auf sein! Freund-Biologe hörte unserer Story vom Karpfen aufmerksam zu. Dann sagte er, er müsse noch etwas überprüfen, er riefe sofort wieder zurück.

Wir gossen uns Chablis ein und warteten auf seinen Rückruf. Mit strahlenden Augen sassen wir am Tisch, aber niemand hatte Lust zum Reden. Der Biologe telefonierte wirklich bald: „Im Greifensee sind nicht nur günstige Bedingungen, es soll dort auch ein Fisch leben, der mit dem Karpfen so verwandt sei, dass sie sich sogar paaren können.“

„Prima, dann wird er dort Gesellschaft haben.“

Gemeinsam fanden wir drei grosse Plastiktüten, legten sie ineinander, füllten sie mit Wasser, lagerten den Karpfen um und fuhren zum Greifensee. Barbara am Steuer, ich hielt die Tüten mit dem Fisch.

An einem Landungssteg leerten wir den ganzen Tüteninhalt in den See. Zuerst blieb der Karpfen erstarrt, offensichtlich durch den Umgebungswechsel überrascht. Dann machte er ein Paar Schwimmzüge, als würde er das Wasser testen. Dann kam er zurück, offensichtlich wollte er uns Dankeschön sagen, drehte um und verschwand im See.

Es war schon spät nach Mitternacht, als wir daheim unseren Kartoffelsalat assen, diesmal ohne Fisch. Aber er schmeckte ausgezeichnet. Es waren doch wunder-schöne Weihnachten. Für alle drei: für uns beide sowie für den Karpfen.





Geschrieben von
Jan Kříž, 
(Geschichte vom Dez. 2010)

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