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Besuch des Agnesklosters in Prag

In der Erfolgsstory „sc.cz trifft Kunst in Prag“ wurde am 5. Juni 2019 ein weiteres Kapitel geschrieben: Unser Vereinsmitglied Marius Winzeler, Leiter der Sammlung Alter Kunst der Prager Nationalgalerie, gewährte uns - getreu dem Motto1 „Aller guten Dinge sind Drei“ - nach dem Sternberg-Palais und dem Schwarzenberg-Palais nunmehr auch noch im dritten „Schatzkästchen“ seines Zuständigkeitsbereichs, dem Agneskloster, nicht nur Gastrecht, sondern beehrte uns auch gleich noch mit einer persönlichen Führung durch dasselbige.
Und wie bereits die beiden Vorgängerveranstaltungen, begeisterte auch der dritte & letzte Teil seiner „Trilogie“ das anwesende Dutzend kunstinteressierter Clubmitglieder!


Die Klosteranlage, in der Prager Altstadt in unmittelbarer Nähe der Moldau (zwischen den Brücken Čechův most und Štefanikův most) gelegen, gehört zu den ältesten und bedeutendsten mittelalterlichen Sehenswürdigkeiten Tschechiens. Zwar wurde das Kloster 1782 geschlossen, aber ein Grossteil der gotischen Gebäude ist zum Glück erhalten geblieben! In ihrer Blütezeit bestand die Gesamtanlage aus sieben Kirchen und zwei Kreuzgängen.
Auf unserem Weg durch dieses weitläufige Areal besichtigten wir zuerst die Gartenanlage des Klosters. Diese wurde nach einer aufwendigen Restaurierung erst 2016 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Diverse Plastiken renommierter Gegenwartskünstler wurden installiert, was den Ort für Kunstliebhaber noch zusätzlich aufwertet.
Dort erfuhren wir viel Wissenswertes über die Entstehungsgeschichte des eindrücklichen Gebäudekomplexes, benannt nach seiner Gründerin Prinzessin Agnes von Böhmen, welcher ab 1231 durch den Bau eines Konvents (Klarissenkloster) und des St. Franziskus-Hospitals entstanden war. Kurz danach wurde das heutige tschechische Kulturdenkmal (seit 1978) zum ersten franziskanischen „Doppelkloster“ nördlich der Alpen erweitert, als gleichenorts auch ein Franziskaner-Männerkloster errichtet wurde, dessen Bewohner gemäss unserem Referenten für den „Service“ (Anm. d. Red.: was auch immer dies alles beinhaltet haben mag?) zuständig waren. Vermutlich ein ziemlich stressiger „Job“, bestand doch die „Belegschaft“ des Klarissenklosters aus max. 60 Nonnen und diejenige des sog. Minoritenklosters nur aus max. 15 Ordensbrüdern!
Nach der Aussenbesichtigung der Anlage begab sich unsere „Karawane“ gemeinsam mit deren Führer ins Innere auf „Schatzsuche“. Wir starteten in der Franziskuskirche, dem ältesten gotischen Gebäude Prags, welche dem Hl. Franziskus von Assisi gewidmet ist. Heute ist der Haupttrakt leer, d. h. es finden dort zwar keine kirchlichen Veranstaltungen (z. B. Gottesdienste) mehr statt, hingegen aufgrund der vorzüglichen Akustik viele Konzerte. Weitere Stationen unseres ausgedehnten Rundgangs waren:
  • der Anbau zur Franziskuskirche mit der Grabstätte von König Wenzel I. (1205-53), dem Bruder der Hl. Agnes von Böhmen
  • die Marienkapelle mit der Grabstätte von Kunigunde, dessen Ehefrau (1202-1248)
  • die Kapelle der St. Salvatorkirche mit den 5 Köpfen gekrönter Herrscher/-innen im Kapitell des Triumphbogens
  • den Kapitelsaal (= Gemeinschaftsraum)
  • den Kreuzgang der Frauen mit dem Refektorium (= Speisesaal), der schon damals mit einer Fussbodenheizung ausgestaltet war!
  • die Küche (eine sog. „Schwarze Küche“ mit Feuerstelle und Abzug), die nach der Klosteraufhebung zu einer Kirchenglocken-Werkstatt umfunktioniert wurde.
Zu guter Letzt stand noch ein finaler Höhepunkt der Führung auf dem Programm, nämlich der Besuch der Dauerausstellung „Kunst in Böhmen von 1200-1550“.

Die Sehenswürdigkeiten dieser mittelalterlichen „Schatzkammer“ befinden sich entweder im Besitz der Nationalgalerie selbst oder sind langfristige Leihgaben.
Stellvertretend für die Vielzahl der Kunstwerke seien hier folgende „Highlights“ erwähnt:
  • die Madonna von Zbraslav, deren blaues Gewand aus Lapislazuli-Farbe gemalt ist,
  • der Tafelgemälde-Zyklus von der Geburt Christi bis Pfingsten des Meisters von Hohenfurt,
  • die Werke von Theoderich von Prag, dem Hofmaler Karls IV., u. a. der Evangelist Lucas, der als Schutzpatron der Maler als einzige Figur den Betrachter anschaut! (Vom gleichen Künstler schmücken auch 129 Gemälde die Kapelle des hl. Kreuzes auf der Burg Karlsstein.)
  • die Madonna von Roudnice als erhaltener Teil eines Flügelaltars, das dem Meister von Wittingau zugeschrieben wird,
  • die Werke des Meisers des Altars von Litomerice (dt.: Leitmeritz) und
  • die Gemälde von Lucas Cranach dem Aelteren.
Mit diesem „Schlussbouquet“ endete ein grossartiger kultureller Anlass, für welchen wir Marius unseren allerbesten Dank aussprechen. Es war einmal mehr ein Hochgenuss!
Ein Verein, der einen solch ausgewiesenen Kunstexperten in seinen Reihen hat, darf sich mehr als glücklich schätzen!

Berichterstatter:  Röby
Fotos: Daniela

1) Anmerkung des Redaktors: Zum Glück für alle abwesenden „SwissClübler“ nicht im originären Sinn gemeint, denn der Ursprung dieser Redensart geht zurück auf die alten Germanen und besagt, dass wenn man zu damaliger Zeit zu Gericht vorgeladen wurde und dreimal hintereinander nicht zum Termin erschien, dann konnte man auch in Abwesenheit verurteilt werden!

PS: Detailliertere Auskunft über Geschichte, Architektur und Gartenanlage des Agnes-Klosters und deren Gründerin erhalten Interessierte u. a. unter folgenden Web-Links:

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